Das Lasten-Dilemma

Wir Christen sind immer schnell dabei, anderen Hilfe anzubieten. Bei Krankheit, Umzug, Schwangerschaft, Trauer, schweren Lebensphasen jeder Art,… Wir wollen es einander leichter machen. Und als Christen ist es ja auch eine Sache, von der wir wollen, dass sie uns ausmacht. Es werden konkrete Hilfsangebote gemacht, aber die werden sofort abgewunken. Und eigentlich fällt er immer, der Klassiker: „Sag Bescheid, wenn du etwas brauchst.“

Und dann passiert es: Nichts. Derjenige kämpft sich irgendwie durch.

Abgerundet wird die Geschichte dann mit: „Hättest du doch was gesagt.“

Hilfe anzunehmen bedeutet bedürftig zu sein. Bedürftigkeit hat keinen guten Ruf. So lang es irgendwie möglich ist, macht man es selbst. Und wird danach im besten Fall als „fleißig“, „zäh“ oder „belastbar“ gelobt. Und geht es dann mal doch nicht anders als Hilfe anzunehmen, muss man sich zumindest revanchieren.

So ist das doch gemeint in Galater 6. Einer soll die Last des anderen tragen. Geistlich und ganz praktisch. Wir sollen nicht müde werden einander Gutes zu tun. Da darf ich doch selbst nicht schwach werden, sondern bleibe für den anderen stark.

Aber halt mal. Wenn sich keiner helfen lässt, ist keinem geholfen. Und wenn nur denen geholfen wird, die überhaupt nicht mehr können, entsteht ein Machtgefälle. Ist dieser Mensch dann noch mein Nächster oder das Objekt an dem ich meine Hilfsbereitschaft zum Ausdruck bringen kann? Wie soll sich Gott an uns freuen, wie sollen wir das Gesetz erfüllen, dass Christus uns gegeben hat (Gal 6,2)? Wie sollen wir Nächstenliebe üben, wie sollen wir jemals einander die Nächsten sein, ohne dass jemand Schwäche zeigt, bevor er keine andere Wahl mehr hat?

Jesus hatte den Auftrag zu lehren und den Menschen nah zu sein. Aber er wusste, dass er es nicht allein tun sollte. Er schickte seine Jünger los. Er verteilte die Last auf mehrere Schulter. Er hat die Samariterin gebeten, ihm das Wasser aus dem Brunnen zu holen, auch wenn er das hätte selbst schaffen können. Um der Gemeinschaft willen.

Paulus, der so viele Briefe verfasst hat, die bis heute Menschen lehren und ermutigen, hatte Unterstützung. Aber er hatte Hilfe vom Schreiber Tertius. Er war auch an anderen Stellen auf Hilfe von außen angewiesen. Der Besuch im Gefängnis war sicher nicht nur für die Verbreitung des Glaubens sinnvoll, sondern tat auch dem Gefangenen, also Paulus selbst gut. Eine Win-Win-Situation. Außerdem lesen wir in 2. Kor 12 von einem nicht näher beschriebenen körperlichen Gebrechen Paulus´. Er berichtet von seiner Schwachheit und ihren Folgen. Kurz gesagt: Der Stolz schrumpft. Der Apostel macht sich von nichts abhängig als von der Güte Gottes. Denn es gibt nicht die bedürftige Person und die gebende Person. In jedem von uns steckt beides. Und beides können wir durch die Gemeinschaft mit Gott. Geben aus Gottes Güte und Empfangen durch seine Güte. Alles hat diese zwei Seiten. So fährt Paulus fort mit den Worten, der Gemeinde nicht zur Last fallen zu wollen, sondern stattdessen von dem abzugeben was er hat und ist. Gibt man immer nur oder empfängt man immer nur, entsteht ein Ungleichgewicht. (Versteh mich hier nicht falsch: Phasenweise darf natürlich das Eine oder Andere stärker ins Gewicht fallen.)

Lasst uns anfangen unseren Bedürfnissen echte Gemeinschaft hinzuzufügen. Nach Hilfe zu fragen wertet mich nicht ab. Ich werte den anderen damit auf. Ich gebe uns beiden die Chance, dass das Gesetz dass uns Jesus Christus gegeben hat, das Gesetz der Nächstenliebe zur Geltung kommen kann. Außerdem kann doch für dich etwas ganz einfach sein, was mir (gerade) schwer fällt. Wir sind so vielfältig begabt, das ist kein Versehen, das ist pure Absicht Gottes. Die Gemeinde ist ein Leib mit vielen Gliedern, jeder Mensch kann etwas anderes gut, geistlich und ganz praktisch (1. Kor 12). Wir können so viel mehr, wenn das anfängt für uns ok zu sein.

Und dann wird es passieren wie in Johannes 13, 35: Man wird an unserer Liebe zueinander erkennen, dass wir Gottes Kinder sind.

Seid gesegnet,

Dorit

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